Da in letzter Zeit in der Ostschweiz vermehrt Fälle der Bovinen Virus Diarrhoe aufgetreten sind, möchten wir hier einen Überblick über diese komplexe Tierseuche geben.

Bovine Virus Diarrhoe beim Rind

Wie der Name schon sagt, handelt es sich bei der Bovinen Virus Diarrhoe (BVD) um eine Infektionskrankheit der Rinder, welche durch ein Virus (Pestivirus) ausgelöst wird. Ähnliche Viren lösen bei kleinen Wiederkäuern eine vergleichbare Krankheit, die Border Disease aus. Die BVD ist eine in der Schweiz anzeigepflichtige Tierseuche, welche nicht behandelt werden darf. Befallene Tiere müssen getötet werden.

Ein Grossteil der Infektionen mit dem BVD- Virus verläuft asymptomatisch, die infizierten Tiere fallen deshalb gar nicht auf. Erkrankt ein Tier klinisch, so sind mögliche Symptome Durchfall, Fieber, Inappetenz und Milchrückgang. Ebenfalls können Fruchtbarkeitsstörungen auftreten, und das BVD- Virus kann bei trächtigen Kühen zum Abort führen. Überleben die Föten im Mutterleib eine Infektion des Muttertieres, gibt es zwei verschiedene Szenarien: Entweder wird ein lebensschwaches Kalb geboren, welches in der Regel eine erheblich verringerte, bis keine Überlebenschance hat und deshalb aufgrund von raschem Verenden keine wesentliche Rolle bei der weiteren Erregerübertragung spielt. Oder aber es entstehen persistent infizierte Tiere (PI-Tiere). Dies geschieht, wenn eine Infektion der Mutter mit BVD zwischen dem 40. und 120. Trächtigkeitstag stattfindet. Das Immunsystem des Fötus im Mutterleib ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig ausgereift, weshalb eine sogenannte Immuntoleranz gegenüber dem Virus entsteht. Das heisst, die betroffenen Kälber bleiben zeitlebens mit dem BVD- Virus infiziert, erkranken aber nicht klinisch an BVD, sprich sie zeigen keine Symptome. Allerdings scheiden die sogenannten PI- Tiere Virusmaterial aus. Da sie ohne labordiagnostische Untersuchungen nicht als infizierte Tiere erkannt werden, spielen die PI- Tiere bei der Verbreitung des Erregers die Hauptrolle.

Wie schon erwähnt leiden PI- Tiere in der Regel nicht an den typischen Symptomen von BVD. Allerdings kommt es bei einer Reinfektion von PI- Tieren mit dem BVD- Virus zu einer Superinfektion und zum Auftreten der stets tödlich endenden Mucosal Disease.

Aufgrund der gefährlichen, unbemerkten Ansteckungsgefahr durch PI- Tiere gab bzw. gibt es ein europaweites Eradikationsprogramm, welches in der Schweiz bis zum Jahr 2012 zum Einsatz kam. Im Zuge der Kennzeichnung neugeborener Kälber mittels Ohrmarke wurde eine Ohrstanzprobe von jedem Kalb in entsprechenden Laboratorien auf Antikörper gegen das BVD- Virus untersucht. Dadurch konnten alle PI- Tiere schnellstmöglich erkannt werden. Vor dem Beginn des Eradikationsprogrammes im Jahr 2008 waren 60% bis 80% der Schweizer Betriebe BVD-Antikörper positiv. Durch das Programm sank die Rate der betroffenen Betriebe in der Schweiz auf < 1%. Der Anteil an neugeborenen PI- Tieren sank seit Beginn der Eradikation von 1,4% auf < 0,02% (Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen: «Bovine Virusdiarrhoe/ Mucosal Disease (BVD/MD)», 09/2022).

Beim Verdacht von BVD in einem Betrieb aufgrund von typischen Symptomen, wie beispielsweise therapieresistentem, teilweise blutigem Durchfall, wird zur Kontrolle Blut der betroffenen Tiere untersucht. Ausserdem werden Betriebe immer noch stichprobenartig beprobt, um PI-Tiere zu identifizieren. Das Abortmaterial und Blut des Muttertieres wird auf unterschiedliche Aborterreger getestet, unteranderem auf BVD, um Trägertiere möglichst früh zu erkennen. Die Diagnose kann mittels Virus- oder Antigen- Nachweis gestellt werden.

Border Disease beim Kleinwiederkäuer

Viele Symptome, welche die BVD beschreiben, ähneln der Border Disease (BD) von Schaf und Ziege. Der Krankheitsverlauf ist ähnlich, und ebenso sind auch bei der BD der Kleinwiederkäuer die grösste Infektionsquelle PI- Tiere. Diese Lämmer entstehen durch eine Infektion des Mutterschafs vor dem 80. Trächtigkeitstag. Somit werden, vergleichbar mit der Entstehung von PI- Tieren bei BVD, Föten mit Immuntoleranz gegenüber dem BD-Virus geboren, welche als Dauerausscheider eine bedeutende Infektionsquelle darstellen. Anders als BVD- PI- Kälber werden BD- PI- Lämmer in der Regel klinisch erkannt. Oft leiden betroffene Tiere an neurologischen Symptomen (Tremor) und/ oder abnormaler Behaarung. Häufig sind Lämmer nach der Geburt nicht oder kaum lebensfähig. Sowohl der Erreger der BVD als auch der Erreger der BD gehören zur Familie der Pestiviren und ähneln sich somit. Deshalb kann es bei der Überwachung von BVD auf Betrieben, in denen sowohl Rinder als auch Schafe gehalten werden, aufgrund von Border Disease-Antikörpern zu falsch positiven BVD-Testergebnissen kommen. In solchen Betrieben werden positive Testergebnisse standardmässig durch ein weiteres, aufwändiges Testverfahren voneinander unterschieden.